Dienstag, 14. Juli 2015

"Ich erbe einen Mann" - dritte Leseprobe


Hier kommt die nächste Leseprobe aus dem spannenden Roman, der am Freitag erscheint:


Bild:pixabay
"Es scheint Ihnen nicht zu schmecken", hörte sie den Mann jetzt neben sich sagen. "Nun ja, an so etwas müssen Sie sich gewöhnen, Sarah. Auf Bear Island gibt es keinen Wochenmarkt mit frischem Obst und Gemüse, sondern nur eine Werkskantine für die Arbeiter der Bauxitmine. Dort können Sie zwar Dinge des täglichen Bedarfs kaufen oder bestellen, mitunter müssen Sie aber vierzehn Tage oder länger darauf warten, denn es kommt ja alles mit dem Schiff. Also, wenn Sie verwöhnt sind..."
"Sollte ich lieber sofort abreisen. Ich weiß", unterbrach sie ihn. "Das versuchen Sie mir die ganze Zeit klarzumachen, aber ich bleibe. Jetzt könnte ich meine Absicht so wie so nicht mehr ändern, da wir bereits von Flinders Island abgelegt haben."
"Bleibt noch Cape Barren", erinnerte er sie amüsiert. "Da legen wir vorher noch an, und Sie haben eine Viertelstunde Zeit, es sich zu überlegen. Ich meine es doch nur gut."
"Das habe ich gemerkt", erwiderte Sarah schnippisch. "Die ganze Zeit versuchen Sie, mich loszuwerden..."
"Das ist Quatsch." Dave Brandower machte eine unwirsche Handbewegung. "Was wissen Sie denn! Kommen daher und erwarten vermutlich ein Urlaubsparadies. Klar, es gibt an der Ostseite sogar einen Strand und etwas ganz Seltenes in diesen Breiten, nämlich Palmen. Aber zwei Drittel von Bear Island sind eine zerwühlte Mondlandschaft, es gibt kein Dorf, sondern nur ein paar Baracken, denn fast alle Bewohner sind Arbeiter. - Nur Männer", setzte er betonend hinzu, "raue Burschen, die zu Teil seit Monaten keine Frau gesehen haben, abgesehen von den drei alten Aborigines, die das Büro und die Kantine putzen, verstehen Sie? Sie sind als Frau da einfach nicht sicher, warum begreifen sie das denn nicht!"
"Ich weiß mich schon zur Wehr zu setzen."
"Das wage ich zu bezweifeln", erwiderte er heftig. "Was wissen denn Sie! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, auf welche Weise Ihr Verwandter da zu Tode gekommen ist? Da gibt es nämlich allerhand Unklarheiten, und er ist nicht der einzige, der in der Umgebung des Tavern auf eine merkwürdige Art sein Leben verloren hat. Da stimmt etwas nicht, und ich rate Ihnen dringend, nicht allein da in dem Haus zu bleiben!"
"Pah!", machte Sarah, und sie hätte sich am liebsten mit dem Zeigefinger an die Stirn getippt. "Wenn nichts mehr hilft, dann kommen die Schauermärchen, was? Als Nächstes bieten Sie sich als mein Beschützer an, habe ich Recht? Nicht allein da bleiben, dass ich nicht lache! So billig können Sie bei mir nicht landen, Mister." Das letzte Wort stieß sie heftig und geringschätzig hervor, wandte sich von ihm ab und stapfte zur Tür der Kombüse, stieß schmerzhaft mit der Schulter gegen den Rahmen, weil das Schiff gerade in diesem Augenblick heftig schwankte, und taumelte grimmig die Stufen zum Deck hinauf, um dort das Anlegemanöver auf Cape Barren zu beobachten. Ihren Ärger konnte sie nur schwer unterdrücken.
Sie würde es diesem unverschämten Kerl schon zeigen!

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