Wie versprochen, hier eine weitere Leseprobe aus "Ich erbe einen Mann". Das E-Book wir in fünf Tagen auf allen wichtigen Lieferkanälen zu finden sein. Hier der Verlagslink.
Aus dem zweiten Kapitel:
"Ah, ich verstehe. Dann weiß ich, welches
Grundstück Sie glauben geerbt zu haben. Das von Old George. Eigentlich gehört
es der Company, wie alles auf der Insel. Es stehen ein paar Häuser darauf, ein
altes Steinhaus und mehrere Schuppen. The Tavern heißt es bei den Leuten hier.
Immerhin war es das einzige Wirtshaus auf der gesamten Insel. Aber es ist doch
nur von der Minengesellschaft verpachtet, so viel ich weiß." Er runzelte
die Stirn. "Sie haben doch nicht etwa vor, den Laden wieder aufzumachen?"
"Und wenn?"
"Das ist ein Job für ein altes Raubein und
nicht für ein junges Mädchen wie Sie. Und selbst für ein altes Raubein ist es
gefährlich, wie Sie sehen. Der alte George hat schließlich doch dran glauben
müssen."
Das klang herzlos. Außerdem ärgerte sie sich, weil
er ihr offenbar nicht zutraute, auf einer abgelegenen Insel eine Kneipe zu
führen. Das hatte sie auch gar nicht vor, aber das musste sie diesem Fremden
nicht unbedingt auf die Nase binden. Dass er sie "junges Mädchen"
genannt hatte, schmeichelte ihr; immerhin war sie vor Kurzem achtundzwanzig
geworden, und er konnte nicht viel älter sein, höchstens Mitte dreißig, auch
wenn er durch seine wettergegerbte Haut und das Grau in den Augenbrauen runde
zehn Jahre älter wirkte.
"Ich weiß noch nicht, was ich mit dem Haus
vorhabe", erklärte sie. "Ich sehe es mir erst einmal an. Wie gesagt,
ich will ein halbes Jahr da wohnen."
Dave Brandower schnaubte. "Das werden Sie
schnell wieder bleiben lassen. Eine Woche gebe ich Ihnen. Dann nehmen Sie
vermutlich die Beine in die Hand. Sie können es sich auch vorher überlegen,
Sarah. In vier Stunden legen wir in Whitemark auf Flinders an, dann geht's nach
Cape Barren. Beide Male Gelegenheit, von Bord zu gehen. Wenn Sie erst einmal
auf einer der kleineren Inseln sind, dauert es mindestens zwei Wochen, bis
wieder ein Schiff kommt. Oder Sie müssen über Funk ein Flugzeug chartern, das
Sie abholt."
Das ging entschieden zu weit! Deutlicher konnte er
seinen "Hinauswurf" wohl nicht formulieren. "Ich bleibe",
sagte sie trotzig. "Jetzt erst recht. Wenn Sie mich unbedingt loswerden
wollen, beißen Sie sich die Zähne aus. Ich hoffe, die Insel ist groß genug,
damit wir uns nicht ständig über den Weg laufen. Guten Tag."
Sarah ließ ihn einfach stehen. Diesmal war sie es,
die im Schiffsinneren verschwand. Was
dieser Kerl sich einbildet, dachte sie.
Mir schreibt keiner vor, was ich zu machen habe. Jetzt nicht und nie mehr.
Sie betrat ihre kleine Kabine und ließ sich
rücklings auf die federnde Koje fallen, starrte gegen die hölzerne Decke und
spürte das beruhigend regelmäßige Schlingern des Schiffes, hörte das Tuckern
des Diesels und das rhythmische Aufschäumen der Bugwelle.
Vorschriften!
Die lasse ich mir von niemandem mehr bieten, dachte sie. Sie hatte
Christoph den Laufpass gegeben, weil sie sich in letzter Zeit immer mehr von
ihm gegängelt fühlte. Es war wie eine Befreiung gewesen, und ihre endlich
wiedergefundene Selbstständigkeit gedachte sie zu behalten. Von Männern würde
Sarah sich nichts mehr sagen lassen.
Als sie Christoph kennen lernte, war es Liebe auf
den ersten Blick. Er war groß, schlank, dunkelhaarig, elegant. Er leitete einen
Supermarkt am Engelbertbrunnen, wo sie in amtlicher Eigenschaft mehrfach zu tun
gehabt hatte. Als Mitarbeiterin des Ordnungsamtes stieß sie beruflich meist auf
Querulanten, aber dieser Christoph – Grunwald nannte sie ihn anfangs, nur bei
seinem Nachnamen, ganz amtlich – zeigte sich nicht nur unglaublich einsichtig,
sondern auch noch ganz umgänglich und charmant. Heute würde sie sagen, er
wickelte sie ein, aber damals sah sie es nicht so.
Sie gingen hin und wieder aus, meist ins
Bermuda-Dreieck, wie das Kneipenviertel am Engelbertbrunnen hieß. Christoph
Grunwald war überall bekannt – nicht, weil er sich oft in den Kneipen und
Restaurants herumtrieb, sondern weil sich die Geschäftsleute aus der
Nachbarschaft eben kannten, ganz gleich ob sie eine Gaststätte, einen Copyshop
oder ein Kino betrieben oder halt einen Supermarkt leiteten.
Christoph war weltmännisch und liebenswürdig und
zudem ein aufmerksamer und verständiger Zuhörer. So kam es, dass Sarah sich in
ihn verliebte, und er sich in sie. Daher fand sie nichts dabei, als er
irgendwann vorschlug, zusammenzuziehen. Sie erinnerte sich genau. Er hatte für
diesen Moment alles ganz romantisch arrangiert. Sie hatten einen Ausflug ins
Ruhrtal gemacht, irgendwo hervorragend gegessen, und dann kam dieser Spaiergang
am Kemnader See. In der Abenddämmerung waren kaum Leute unterwegs, aber der
Bootsverleih hatte noch geöffnet gehabt, und Christoph hatte eines der Elektroboote
gemietet. Dann, mitten auf dem See, hatte er gesagt: "Ich bin mir so
sicher, dass ich dich liebe..." Es kam stockend, aber vielleicht war das
einstudiert, dachte Sarah heute: Wie er dann vorschlug, für immer
zusammenzubleiben und sich ein gemütliches kleines Häuschen am Stadtrand zu
suchen, in dem sie zusammen leben könnten. Sie verdienten doch beide gut und
könnten sich so etwas leisten.
"Ich habe ja eins", hatte sie gesagt,
"von meinen Eltern, aber ich muss es wohl verkaufen, weil es bis unters Dach
verschuldet ist."
Aber es gab eine Lösung!